Wir sind glücklich in diesem Gespräch zwischen Herrn Dr. Johannes Vrana (JV) von der Vrana GmbH und Maximilian Topp (MT) von der sentin GmbH die Chancen von NDE/NDT 4.0 zu diskutieren.
Die Forschung, die Trainings und die Beratungsdienstleistungen von Dr. Johannes Vrana beschäftigen sich mit den neuen Technologien in der zerstörungsfreien Prüfung (ZfP). Seine wissenschaftlichen Veröffentlichungen und sein YouTube-Kanal sind am Puls der Zeit und bereiten die komplexen Zusammenhänge verständlich auf. Er gilt als absoluter Experte für ZfP 4.0 und NDE 4.o sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene.
Inhalt
Wie wichtig ist Digitalisierung für NDE/NDT?
MT: Sie beschäftigen sich nun schon seit Anfang der 2000er mit dem Thema und das sowohl auf nationaler als auch internationaler Ebene. Gab es einen Schlüsselmoment, an dem Sie die Potentiale der Digitalisierung für NDT und NDE erkannt haben?
JV: Einer meiner Schlüsselmomente war in einem Digitalisierungsprojekt bei Siemens. Dafür haben wir die Ergebnisse der ZfP der letzten Jahre gebraucht. Um diese digital auswerten zu können, musste jemand die Ultraschallprotokolle der letzten Jahre abtippen. ZfP 4.0 ist ein Name für neue ZfP Entwicklungen, wie z.B. Blockchain, Quantencomputer, KI, digitale Protokolle und digitale Prozesse.
MT: Wenn man sich bspw. bei LinkedIn umschaut sind sie einer der Top-Ansprechpartner für NDE 4.0. Wie genau definieren Sie denn NDT/NDE 4.0?
JV: Die Antwort auf diese Frage wird sich in den nächsten Jahren bestimmt noch deutlich verändern, jedoch derzeit sehe ich drei große Felder. Zum einen die Möglichkeit digitale Prozesse als Unterstützung für den Prüfer einzusetzen. Diese sollen als externe Hilfe an Ort und Stelle dienen. Somit ist eine Unterstützung aus dem Büro ohne selbst viel zu reisen möglich. Das zweite ist, dass man mit ZfP in die Oberflächen hinein schaut und dadurch viele Daten gewinnt, wenn man diese Daten auf einem standardisierten Interface an die Industrie zurück gibt, können diese dort mit Statistischen Methoden ausgewertet werden und für z.B. Feedbackschleifen, Verbesserung von Design, Produkt und Produktion genutzt werden. Das Dritte große Feld ist die Interaktion zwischen Mensch und Maschine. Durch die aufgezeichneten Daten kann der Prüfer vorzeigen welchen Wert die Prüfung hat.
Welche Chancen und Potentiale entstehen durch NDT/NDE?
MT: Bevor wir tiefer einsteigen: Was sind Ihrer Meinung nach die wichtigsten 3 Chancen durch NDE 4.0?
JV: Eine Chance ist es, dass die Welt erkennt, wie wertvoll die Ergebnisse der ZfP eigentlich sind. Jeder kenn den Wert von z.B. Radiologen. Es besteht eine Angst, dass Materialfehler gefunden werden, aber ZfP hilft dabei Fehler zu finden und gewährt dadurch mehr Sicherheit. Ebenfalls besteht die Chance, dass die Bevölkerung und die Industrie mehr über ZfP wissen und erkennen, was die ZfP für ein wertvolles Verfahren ist.
MT: Wir beschäftigen uns vor allem mit der Fehlererkennung in Prüfprozessen mittels Künstlicher Intelligenz (KI). Wo sehen Sie die größten Potenziale für KI in der NDE/DT 4.0 Anwendung?
JV: Die Ergebnisse von einer Ultraschallprüfung können mit KI ausgewertet werden, um dem Prüfer ein Hilfsmittel an die Hand zu geben. Es werden nicht nur die einzelnen Ergebnisse angeschaut, sondern durch KI können anhand der ganzen aufgezeichneten Daten langfristige Trends erkannt werden. Ebenfalls kann ein Mehrwert durch große Datenmengen entstehen, wenn man diese kombiniert durch eine KI durchjagt.
MT: Dann lassen Sie uns auch kurz über den Faktor Mensch sprechen. Sie haben sich im Rahmen Ihrer Arbeit auch mit der Erkennungswahrscheinlichkeit (engl. Probability Of Detection – POD) und der Schulung weniger erfahrener Mitarbeiter auseinandergesetzt. Wie subjektiv ist der Prozess der Auswertung und Interpretation?
JV: Ziemlich. Es hängt von der Tagesform der Menschen ab und wo deren Gedanken gerade sind. Kein Mensch ist perfekt, jedoch sehr anpassungsfähig. Bei repetitiven Prozessen kann KI sehr hilfreich zur Unterstützung sein. Dazu muss diese richtig implementiert werden, um als Werkzeug eine deutlich bessere POD zu verwirklichen, als es der Mensch kann. Jedoch darf bei der Automatisierung kein Fehler gemacht werden. Dieser würde sich bei einer falschen Programmierung immer wieder wiederholen.
Wie sieht NDE/NDT im Hinblick auf Bereitschaft, Fragmentierung und internationale Unterschiede aus?
MT : Ihr Unternehmen beschäftigt sich zudem mit der Beratung und der Entwicklung von Lösungen im NDE-Bereich. Dazu habe ich zwei Fragen:
Die erste Frage: Gerade in Deutschland sind z.B. Cloud-Technologien oder Zertifizierungen ein Thema. Wie ist die Bereitschaft Ihrer Kunden für neue Technologien?
JV: Die meisten haben erst einmal Angst neue Technologien in Unternehmen oder in einer industriellen Umgebung einzusetzen. Sie stellen sich immer die Frage, ob die Technologie wirklich schon so weit ist. Bevor eine Technologie eigeführt werden kann muss diese schon weit entwickelt sein. Um im internationalem Markt wettbewerbsfähig zu sein brauchen wir neue Technologien.
MT: Die zweite Frage: Technologie wird häufig erst durch gemeinsame Standards in der Breite nutzbar. In wie weit ist die Technologielandschaft der NDE und NDT noch fragmentiert?
JV: ZfP ist extrem fragmentiert. Jeder hat sein eigenes Interface, jedoch irgendwann muss man zusammenarbeiten. Deutschland hat den großen Vorteil von einer Vereinskultur. Dabei wird versucht gemeinsam etwas zu entwickeln und dadurch voran zu kommen. In Arbeitsgruppen im Bereich der ZfP werden Informationsmodelle für die ZfP erarbeitet, welche dann alle Firmen nutzen können und welche mit KI Tools weiterverarbeitet werden können.
MT: Sie führen auch eine leitende Rolle in der ASNT (American Society For Non-Destructive Testing) und der DGZfP (Deutsche Gesellschaft für Zerstörungsfreie Prüfung) aus. Sehen Sie national und international Unterschiede in den Bewegungen um NDE 4.0?
JV: Es gibt mehrere Komitees für ZfP 4.0 und NDE 4.0, bei denen internationale Austausche stattfinden. Dadurch können Erfahrungen geteilt und somit verbreitet und gemeinsam ausarbeitet werden. Ein Ziel ist es den Begriff 4.0 bekannter zu machen, um dies als Teil einer größeren Bewegung zu kennzeichnen. In Deutschland wird die ZfP eher als Unterstützer der Industrie 4.0 angesehen (ZfP für Industrie) und in Amerika umgekehrt (Industrie für ZfP). Überall ist eine Ausbildung und ein Training zum Thema NDE notwendig, damit Prüfer den Umgang mit den Neuerungen lernen und die Vorteile und Probleme kommuniziert werden.
Wie kann NDE/NDT 4.0 weiter vorangebracht werden?
MT: Die Vergangenheit zeigt, dass man die Unternehmen mit Digitalisierungsprojekten nicht überfordern darf. Welche 3 Schritte sind in den nächsten 1,5 Jahren notwendig, um weiter in Richtung NDE 4.0 zu gehen und wen muss man überzeugen?
JV: Im ersten Schritt müssen Informationen von den Prüfern, den Chefs der Prüfern und den CEOs gesammelt werden, um den Wert der ZfP für die einzelnen Unternehmen zu verbreiten. Im zweiten Schritt muss mit den Firmen zusammen gearbeitet werden, um die individuellen Vorteile und weiteren Schritte festzulegen. Im dritten Schritt muss bei der Implementierung geholfen und Trainings angeboten werden. Schlussendlich müssen alle überzeugt werden, jedoch am wichtigsten ist es die Topmanager zu überzeugen, damit diese digitalisieren wollen und somit die Denkweise geschärft wird.
MT: Angenommen Sie hätten einen Wunsch frei, um das Thema weiter voranzubringen. Was würden Sie sich wünschen?
JV: Ich würde mir wünschen, dass die Firmen sehen, dass sie zusammenarbeiten müssen. Es geht darum sich zu vernetzen und dies funktioniert nur, wenn sich jeder mit dem beschäftigt, was er am besten kann. Dabei soll ZfP als wichtiger Datenlieferant angesehen werden.
Wie kann ich NDE/NDT 4.0 nutzen?
Über Dr. Johannes Vrana
Vrana GmbH
CEO, NDE Research & Development
ASNT
- Chairman German Section
- Vice-Chairman ASNT Committee NDE 4.0
DGZfP
Chairman of Subcommittee Automated Ultrasonic Testing
DGZfP
Chairman of Subcommittee for Digital Interfaces
ICNDT
Chairman ICNDT SIG NDE 4.0
Nach und während seiner Promotion in Physik an der Universität des Saarlandes (2008) baute Dr. Johannes Vrana seine Expertise im Bereich der ZfP bei der Firma Siemens auf. In den Jahren 2015 – 2017 war er dort als NDE Council Chairman tätig, bis er sich auf den Aufbau seines eigenen Unternehmens konzentrierte. Parallel übernahm er leitende Rollen bei der DGZfP (Deutschen Gesellschaft für Zerstörungsfreie Prüfung) und der Amerikanischen ASNT.
Seine Forschung ist wegweisend für die neuen Technologien in der ZfP. Seine wissenschaftlichen Veröffentlichungen und seine Arbeit auf diversen Plattformen wie LinkedIn begeistern ein breites Publikum.
Wir freuen uns, dass wir Ihn für unseren Blog interviewen durften und freuen uns auf weitere Kooperationen.